Teil 11: „Vom Tanzparkett in die virtuelle Welt“

Allein im Rausch
Oft ging ich auch allein auf Partys. Ich lernte Leute direkt vor Ort kennen – ein paar lockere Sätze, ein paar Drinks, eine Pille – und schon war man im Rausch des Abends. Wir kannten uns nicht wirklich. Es war mehr ein: „Hey, cool, du bist auch hier.“ Dann lachten wir, tranken, tanzten – und tauchten gemeinsam in eine Nacht voller Glücksgefühle ab.
Ein neuer Ort, ein stiller Bruch
Mein Vater kaufte in einer anderen Stadt ein Stück Boden und ließ dort ein Haus mit drei Wohnungen bauen. Wir zogen dorthin – und mit diesem Umzug änderte sich vieles.
Die Verbindung zu den Discos war jetzt schlecht, und mein bisheriger Freundeskreis löste sich still und leise auf. Es war kein klarer Schnitt – eher ein langsames Versickern der Kontakte. Wenn ich ehrlich bin, waren viele dieser „Freunde“ ohnehin nur Party-Bekannte.
Der Umzug ins Virtuelle
In der neuen Stadt wusste ich nicht, wie ich meine Zeit füllen sollte. Eines Abends setzte ich mich an den Computer – und stieß auf ein Spiel, das mein Leben verändern sollte:
World of Warcraft
Von der ersten Minute an war ich gefesselt. Ich schloss mich einer Gilde an – einer eingeschworenen Gemeinschaft von etwa 40 Spielern, die jeden Tag zusammen Abenteuer bestritten. Plötzlich hatte ich das Gefühl, wieder irgendwo dazuzugehören.
Eine neue „Familie“ aus Pixeln
Diese Online-Welt wurde mein Zuhause. Hier konnte ich zeigen, dass ich gut war. Immer mehr Spieler wollten mich in ihren Raids dabei haben, um gemeinsam die schwersten Herausforderungen zu meistern. Ich war bekannt, geschätzt – und es fühlte sich an, als hätte ich endlich wieder eine Familie.
Doch während draußen das echte Leben an mir vorbeizog, verbrachte ich jede freie Minute vor dem Bildschirm. Tage wurden zu Wochen, Wochen zu Jahren. Fünf Jahre lang spielte ich jeden einzelnen Tag.
Rausch auf zwei Ebenen
Zum Zocken kam der Alkohol. Fast jeden Abend trank ich – manchmal bis zu vier Liter Bier oder auch härtere Sachen wie Wodka. Es war ein doppelter Rausch: der Kick aus dem Spiel, das Adrenalin der Siege – und der dumpfe, warme Schleier des Alkohols.
Beides zusammen ließ mich die Realität vergessen. Und genau das wollte ich.
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