Teil 15: „Die Frage, die mein Leben veränderte: Habe ich ADHS?“

von | Aug. 28, 2025 | Mein Weg

„Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.“

ADHS Burnout, Wald, Ruhe, Klarheit

Zweifel und Ängste

Nach 6 Jahren stand ich wieder vor den Toren der Psychiatrie.
„Muss ich diesmal bleiben? Was geschieht jetzt mit mir? Warum bin ich schon wieder hier?“ – diese Fragen gingen mir ununterbrochen durch den Kopf. Ich fühlte Angst, Unsicherheit und auch Scham.

Ich bekam eine Psychologin an die Seite, zusätzlich eine Sozialberaterin. Drei Monate lang durfte ich auch zur Ohrakupunktur. Ob es mir wirklich half, wusste ich nicht – die stechenden Schmerzen blieben jedenfalls in Erinnerung.

Man fragte mich sogar, ob ich eine Auszeit von meiner Familie brauche – ein Kurort, nur für mich. Doch das wollte ich auf keinen Fall. Meine Familie war mein Halt.

Gruppentherapie – das Gefühl, nicht allein zu sein

So empfahlen sie mir die Gruppentherapie, zweimal pro Woche.
Am Anfang waren wir alle zurückhaltend, fast verschlossen. Doch schon nach den ersten Besuchen öffnete sich einer nach dem anderen. Wir erzählten von unseren größten Kämpfen, Ängsten und Verletzungen.

Und da wurde mir bewusst: Ich bin nicht allein.
Nicht nur ich trage diese Lasten, nicht nur ich kämpfe mit Herausforderungen.
Es war inspirierend, wie wir uns jede Woche gegenseitig Mut machten und Geschichten austauschten, die uns alle ein Stück heilten.

Zeit, die mich veränderte

Meine Psychologin erklärte mir die rechtlichen Rahmenbedingungen:
„Kommen Sie jetzt erst einmal zur Ruhe. Sie haben Zeit. Ihr Arbeitgeber kann Sie frühestens nach 180 Tagen kündigen – erst danach beginnt die eigentliche Kündigungsfrist. Und sollte es dann noch nicht klappen, werden wir die IV einbeziehen. Dort können Sie an einem Wiedereingliederungsversuch teilnehmen und erhalten weiterhin 80 % Ihres bisherigen Lohnes – bis zu einem Jahr lang.
Und wenn Sie danach immer noch nicht soweit sind, haben Sie die Möglichkeit, sich beim RAV anzumelden. Auch dort erhalten Sie für weitere zwei Jahre 80 % Ihres Lohnes.“

Als ich das hörte, fiel eine riesige Last von mir. Zum ersten Mal seit Jahren hatte ich das Gefühl: Ich darf einfach Zeit für mich haben.

Von da an ging ich fast täglich mindestens eine Stunde spazieren, meditierte draußen in der Natur und kam langsam, Schritt für Schritt, innerlich zur Ruhe. Ich konnte nachdenken – über mein Leben und meine Sehnsüchte.

Ich schrieb Tagebuch, reflektierte jeden Tag, lernte meinen Körper zu spüren und meine Gedanken klarer wahrzunehmen. Vor allem aber hatte ich Zeit für das Wichtigste: Mich, meine Kinder und meine Frau.

Befreiung nach Jahren im Hamsterrad

Mein Leben mit ADHS war bis dahin ein einziges Sprinten gewesen – 35 Jahre voller Rastlosigkeit, Getriebenheit und Stress. Ständig das Gefühl, etwas verpasst zu haben, ständig der Druck, noch so viel nachholen zu müssen.

Doch plötzlich spürte ich Freiheit. Endlich war Raum da, mich selbst wiederzufinden.

Ich dachte zurück an meinen Job auf dem Werkhof:
Arbeiten im Regen mit nassen Kleidern.
Arbeiten in der brütenden Sonne mit über 30 Grad.
Arbeiten im eisigen Winter bei minus 14 Grad.
Für mich als sensiblen Menschen war das jedes Mal ein Kampf, ein Durchbeißen. Ich schwor mir: So etwas will ich nicht mehr tun.

Die Frage, die alles veränderte

Nach einiger Zeit stellte mir meine Psychologin eine Frage, die alles veränderte:
„Sind Sie eigentlich jemals auf ADHS getestet worden?“

Ich war überrascht und antwortete: „Nein.“

Da sah sie mich an und sagte:
„Ich vermute stark, dass Sie ADHS haben – aus Ihrer Lebensgeschichte, Ihrem Verhalten und der Tatsache, dass Sie bereits zum dritten Mal hier in der Psychiatrie gelandet sind.“

Ich wurde auf ADHS getestet. Und der Test viel Positiv aus. In diesem Moment klickte etwas in mir. Endlich bekam das Chaos meines Lebens einen Namen.

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