Teil 3: „Ich wollte einfach nur dazugehören“
„Ich habe gelernt zu lächeln, während ich innerlich zerbrach – weil niemand meine Tränen sehen wollte.“

Der Start in die Schulzeit
Der Kindergarten war vorbei – doch keine Erleichterung, kein Neubeginn. Stattdessen klopfte die Angst an meine Tür. Zu tief saß der Schmerz aus der Kindergartenzeit, als dass ich Hoffnung auf einen besseren Start in der Schule hatte.
Der erste Schultag kam. Viele Kinder lachten, liefen herum, umarmten ihre Eltern. Ich stand da – mit meiner Pflegemutter – still, beobachtend, voller Anspannung. Dann geschah das, was ich insgeheim befürchtet hatte: Ich wurde ausgelacht.
Die Kinder ahmten meine Ohren nach, breiteten die Arme aus wie Flügel und rannten flatternd um mich herum. Ich war nicht willkommen – ich war wieder das Ziel.
Ein besonderer Moment mit meinem Papi
Kurz vor Schulbeginn gab es jedoch einen Moment, der mein Herz mit Freude füllte: Mein Papi nahm sich Zeit für mich – und wir suchten gemeinsam meine erste Brille aus.
Ich entschied mich für ein Modell mit vielen bunten Farben – für mich war sie wunderschön. Ich erinnere mich genau daran, wie ich ihm dankbar sagte, dass ich mich freue. Und er sagte:
„Pascal, ich bin froh, dass du so Freude an deiner Brille hast. Pass gut auf die Brille auf.“
Es war einer dieser raren Augenblicke, in denen ich mich gesehen fühlte. Geliebt. Wertvoll.
Scham statt Stolz
Doch meine Freude hielt nicht lange. In der Schule wurde ich erneut verspottet – jetzt auch noch wegen meiner bunten Brille. Und wegen der Mickey-Mouse-Hosenträger, die ich voller Stolz von meiner Oma bekommen hatte.
Was ich schön fand, wurde zu meinem Spott. Ich schämte mich so sehr – obwohl ich eigentlich stolz gewesen war. Ich wollte unsichtbar sein. Nicht auffallen. Einfach nur in Ruhe gelassen werden.
Allein mit meinen Gefühlen
Ich fühlte mich mehr und mehr wie ein Fehler. Die Lehrer mochten mich nicht, weil ich immer wieder abgelenkt war. Aber niemand fragte, warum ich so unruhig war.
Ich war nicht frech. Ich war überfordert. Innerlich voller Lärm und Chaos. Ich fühlte mich traurig, hilflos, gefangen. Allein in einer Welt, in der ich nicht wusste, wie ich funktionieren sollte.
Mein Papi war viel am Arbeiten. Und meine Pflegefamilie war nur äußerlich für mich da – aber nicht wirklich bei mir.
Die Gewalt beginnt
Nach der Schule ging ich nach Hause. Und doch begann gerade da der nächste Albtraum.
Mitschüler – und auch ältere Kinder – schlugen mich, würgten mich, bis ich keine Luft mehr bekam. Aus Spaß, sagten sie. Für mich war es der blanke Horror. Ich hatte Angst. Jeden Tag.
Die Schule wurde zu einem Ort des Schmerzes. Ein Ort, an dem mein Herz langsam zerbrach.
Kranksein als Schutz
Ich wollte nicht mehr dorthin. Nicht geschlagen werden. Nicht gewürgt. Nicht ausgelacht. Ich wünschte mir so sehr, einfach krank zu sein.
Und es funktionierte. Ich konzentrierte mich so sehr auf das Kranksein, dass mein Körper reagierte. Ich durfte öfter zu Hause bleiben. Doch auch dort war niemand.
Mit etwa sieben Jahren bekam ich einen eigenen Wohnungsschlüssel – und musste nicht mehr zur Pflegefamilie. Ich war alleine. Oft. Zu oft. Und ich begann, die Schule zu schwänzen, nur um mich vor dieser kalten, verletzenden Welt draußen zu schützen.
Verloren in der Kindheit
Ich war ein Kind. Aber ich fühlte mich alt. Müde. Enttäuscht vom Leben, bevor es richtig begonnen hatte.
Ich trug keine Wunden, die man sah – aber meine Seele blutete. Und mit jedem neuen Tag verlor ich ein Stück mehr von meiner kindlichen Unbeschwertheit.
Die Welt hatte mich nicht gehalten. Also versuchte ich, mich selbst zu retten – so gut ich konnte.
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