Teil 8: „Blut, Angst und Mut – mein dunkelster Tag“

von | Juli 31, 2025 | Mein Weg

„Und einmal, wenn der Sturm vorüber ist, wirst du dich nicht erinnern, wie du es geschafft hast, ihn zu überstehen, wie du es geschafft hast, zu überleben. Du wirst nicht einmal sicher sein, ob der Sturm wirklich vorbei ist. Aber eins ist sicher: Wenn du aus dem Sturm hervorgehst, wirst du nicht dieselbe Person sein, die hineinging.“

– Haruki Murakami

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Verloren zwischen Lehrstelle und Lebensrealität

Die Schulzeit war vorbei und meine Lehrstelle hatte ich verloren. Plötzlich hatte ich einfach frei – und man sagte mir, ich müsse nun warten, bis ich die nächste Lehre beginnen könne. Von der Arbeitslosenkasse bekam ich kaum etwas, da ich ja nur drei Monate gearbeitet hatte.

Ein Kollege bot mir nun regelmäßig Marihuana an. Er sagte: „Schau, ich geb dir jeden Monat so eine Tasche voll. Du verkaufst das, nimmst dir, was du brauchst – und der Rest ist dein Gewinn.“ Ich ging auf den Deal ein. Und die Ware war von Spitzenqualität.

Alle in der Umgebung freuten sich: Ich verkaufte günstiger als alle anderen – und die Qualität war besser als alles, was man sonst bekommen konnte. Es machte mir richtig Freude, anderen eine Freude zu bereiten.

Der Hinterhalt

Eines Tages fragten mich zwei Nachbarsjungen, ob sie etwas kaufen dürften. Ich sagte: „Klar, kommt gegen 18:00 Uhr zum Kindergarten-Spielplatz.“ Ich dachte, ich rauche vorher noch einen Joint. Dann wartete ich.

Plötzlich kamen zwei Typen. Der eine war ungefähr so groß wie ich, der andere deutlich größer. Der kleinere lächelte künstlich, der größere schaute eiskalt. Mein Gefühl sagte sofort: „Hier stimmt was nicht.“

Sie traten vor mich. „Hey, was machst du hier?“ fragte einer. Noch bevor ich antworten konnte, schlug er mir mit voller Wucht in den Bauch. Dann packte mich der Große – und ich sah nur noch Blitze. Sie schlugen mir auf den Kopf. Mein Discman flog aus meiner Jacke, Blut lief mir übers Gesicht. Wir landeten etwa zehn Meter weiter vorne – an einem Eisenzaun gegenüber einem Einfamilienhaus. Ich klammerte mich daran fest, als würde ich daran kleben.

Dann fragte einer: „Wo ist dein ganzes Marihuana?“ Ich sagte: „Zuhause.“ Sie glaubten mir nicht. Mein Rucksack, den ich zuvor im Gebüsch versteckt hatte, blieb zum Glück unentdeckt.

Die Bedrohung mit der Waffe

Dann zog einer eine Pistole. Er schlug mir auf die Hände und schrie: „Du Wixer, du Arschloch, lass los! Wir nehmen dich jetzt mit!“ Meine Hände waren taub, doch ich klammerte mich verzweifelt fest.

Schließlich sagten sie: „Hol jetzt deine Vorräte von Zuhause. Wenn du nicht zurückkommst, bist du tot.“ Ich nutzte den Moment, rannte los und schaffte es nach Hause.

Mein Papi war auf der Couch. Als er mich sah – blutüberströmt, zerrissene Kleidung – sprang er auf. Ich erklärte ihm, was passiert war, und sagte, dass ich ihnen das Zeug bringen müsse. Doch mein Papi sagte: „Stopp. Du gehst nirgendwohin. Ich mach das schon, Pascal.“

Ich warnte ihn wegen der Pistole. Er antwortete nur: „Ich komm gleich wieder.“ Auf dem Weg rief er die Polizei an.

Anzeige gegen Unbekannt

Die Zeit verging. Ich hatte große Sorge um meinen Papi. Irgendwann kam er zurück. Er war durch das ganze Dorf gelaufen, hatte aber niemand Verdächtigen gefunden.

Ich kam später noch zum Notarzt – an vieles erinnere ich mich kaum, zu viele Schläge, zu viel Angst. Am nächsten Tag musste ich zur Polizei und den Vorfall schildern. Wir erstatteten Anzeige – gegen Unbekannt.

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